Bericht des Tests über den Audi Sport Quattro, Schweizer Automobilrevue 12-1984 |
Einführungstext |
Besitzer von 911 Turbo und anderen Exoten vergleichbaren Kalibers Luft anhalten: Der in einer Stückzahl von nur 200 Exemplaren gebaute und rund 200'000 Franken teurer Audi Quattro Sport, der voraussichtlich Ende Sommer zur Auslieferung an die ersten Kunden gelangen soll, katapultiert sich in bloss 5.1 Sekunden aus dem Stillstand auf 100 km/h, nach 23.1 Sekunden durcheilt er bereits die 200-km/h-Marke, und nach verhältnismässig kurzem Anlauf hat er auch seine Spitze von knapp weniger als 250 km/h erreicht. Mit diesen beeindruckenden Fahrleistungen, die ihm einen vorderen Platz innerhalb der spurtkräftigsten und schnellsten Serienautos von heute sichern, brillierte der jüngste Audi-Spross bei den Versuchs- und Messfahrten, die die "AR" vergangene Woche als erste Fachzeitung durchführen konnte. Hier unser Bericht über dieses auch sonst aussergewöhnliches Fahrzeug.
Angefangen hat seine Geschichte mit der Erkenntnis der Audi-Techniker, die bisherige Überlegenheit des konventionellen Rally-Quattro könnte möglicherweise durch die mächtig aufkommende Allrad-Konkurrenz gehörig ins Wackeln geraten, sofern nicht rechtzeitig alles unternommen wird, um ihn wendiger und leichter zu machen. Aus diesem Grund entschloss man sich in Ingolstadt zu einem ganzen Massnahmenpaket; Man schreckte auch vor radikalen Eingriffen nicht zurück: So wurde durch "Amputation" seines beträchtlichen Stücks Wagenmittelteil der Achsabstand und damit das ganze Auto um 32 cm verkürzt. Ferner erhielt der Fünfzylinder-Turbomotor einen Vierventil-Zylinderkopf, was natürlich die Voraussetzungen für Leistungssteigerungen schlagartig massiv verbessert, und schliesslich sorgen zahlreiche Karosserieteile aus hochwertigem Kunststoff für ein möglich niedriges "Kampfgewicht".
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Rallye-Nebenprodukt |
Um ihn in der Gruppe B homologieren zu zu können, muss Audi den Kurz-Quattro laut Sportgesetz in mindestens 200 Exemplaren bauen. Quasi als Nebenprodukt aus der Rallyeküche - natürlich benötigt das Werksteam niemals 200 Autos, selbst wenn sehr ungestüme Piloten ins Lenkrad greifen - entstand die hochexklusive und superteure Strassenversion, die an der Frankfurter IAA im September vergangenen Jahres erstmals vorgestellt wurde und die wir bereits in "AR" 36/1983 ausführlich beschrieben haben.
Der Steckbrief des Quattro Sport ist imponierend: 2133-cm3-Vierventil-Fünfzylinder mit Turbo, Ladeluftkühler, elektronisch geregelter Einspritzung und Zündung, 300 PS bei 6800/min, Fünfganggetriebe, dauernd eingeschalteter Vierradantrieb mit zu 100% sperrbarem mittleren und hinteren Differential, innenbelüftete Vierradscheibenbremsen mit Antiblockiersystem, 9-Zoll-Leichtmetallräder mit strassentauglichen Michelin-Rennreifen (Typ TB) der Grösse 235/45 ZR 15, Servolenkung, viele Leichtbau-Karosserieteile aus Kevlar und Kohlefaser, luxuriöses Interieur mit echtlederbezogenen Recaro-Sitzen.
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Bullig |
Vorn vorn und von hinten betrachtet, wirkt der breitspurig einherrollende Quattro-Sport überaus attraktiv; insbesondere die mit einer Vielzahl von markanten Lufteinlassöffnungen versehende Frontpartie weckt sofort Assoziationen zum internationalen Rallyesport. Nicht so die Seitenpartie: Ach geschickte stylistische Hilfsmittel wie die bauchig hervortretenden Kotflügel vermögen nicht zu kaschieren, dass die ursprünglichen Proportionen durch die Radstandverkürzung aus den Fugen geraten sind und deshalb vor allem der vordere, aber auch der hintere Karosserieüberhang jetzt optisch noch ausladender wirken als beim schon recht langnasigen Original-Quattro.
Von der Qualität des Karosseriefinishs waren wir positiv überrascht, zumal es sich beim Testwagen um eines der ersten fertigen Autos handelt. Ein kleines bisschen Nationalstolz ist hier, so meinen wir, am Platz: Die exakt passenden Kunststoffteile stammen von der Steckboner Spezialfirma Seger und Hoffmann (sie fertigt unter anderem auch das ATS-Formel-1-Monocoque), und aus diesem Grunde ist gegenwärtig anlässlich der Ausstellung über Schweizer Autos im Verkehrshaus Luzern ein Audi Quattro Sport zu sehen.
Durch die Verringerung des Radstands wurde der vergleichsweise geräumige Passagierraum des Audi Quattro zu einem fast reinen Zweipersonen-Cockpit umfunktioniert; immerhin könnten sich ausnahmsweise und für kurze Strecken auch mal Mitfahrer auf die verkürzte Hintersitzbank, vor der sich nur bei weit nach vorn gerückter Vordersitze ein kleiner freier Knieraum öffnet, zwängen. Als zusätzlicher Stauraum für Gepäck kommt jedoch der Fond vor allem bei längeren Reisen durchaus gelegen, denn der schon beim Quattro nicht gerade üppige Kofferraum wird durch das stehend untergebrachte Reserverad (für ein Auto dieses Kalibers verzichtete Audi richtigerweise auf ein dünnes Noträdchen) nahezu halbiert.
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Furioses Temperament |
Der Vierventil-Turbomotor des Quattro Sport zeigt, dass heutzutage selbst Literleistungen von über 140 PS (!), früher reine Rennsport-Domäne, mit erstaunlich unproblematischem Anspringverhalten sowie überraschender Elastizität und Laufkultur gepaart werden können. Zwar bleibt der aufwendigere Ventiltrieb nicht ohne Auswirkungen auf die Geräuschkulisse, und auch der Auspuffanlage entströmt ein sportlich-kerniger Sound, aber das 300-PS-Aggregat wird auch bei Drehzahlen über 7000/min nicht als zu laut empfunden. Recht aggressiv klinkt hingegen das Bypassventil am Turbosystem, das jeweils beim schnellen Gaswegnehmen (z.B. wenn rasch hochgeschaltet wird) mit deutlichem Fauchen überschüssigen Druck ablässt.
Bei den Beschleunigungsmessungen setzte sich der Quattro Sport, er in der Strassenversion exakt 1300 kg auf die Waage bringt, nahezu ohne das kleinste Durchdrehen eines der vier Räder in Bewegung. Und wie: 5.1 Sekunden bis 100 km/h und 12.2 Sekunden bis 160 km/h, das sind Bestwerte im "AR"-Test-Archiv. Im Bereich über 220 km/h macht sich die nicht sonderlich strömungsgünstige Karosserieform - bei Rallyeautos ist der cw-Wert eher nebensächlich - dadurch bemerkbar, dass trotz idealer Getriebeabstufung nicht mehr im gleichen Masse Tempo zugelegt wird. Die Höchstgeschwindigkeit von respektablen 248 km/h entspricht fast exakt 7000 Kurbelwellenumdrehungen pro Minute. Bemerkenswert: Im Gegensatz zum "normalen" Quattro Turbo entwickelt der 300-PS-Vierventilmotor auch im unteren Drehzahlbereich reichlich Durchzugskraft, so dass auch aus engen Biegungen heraus zügig beschleunigt werden kann.
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Grosse Reserven |
Die Fahrerprobung auf Autobahnen und auf Überlandstrassen zeigte auf, dass die Verkürzung des Radstandes und der Übergang auf ein Breitspurfahrwerk mit Racing-Reifen nur Vorteile gebracht hat: Der Wagen ist spürbar kurvenwilliger als der Original-Quattro, bleibt aber in der Tendenz leicht untersteuernd und daher sehr sicher zu dirigieren. Von einem hypernervösen Kreisel, der kaum richtig geradeausfahren kann, ist also keine Rede. Sofern er nicht am äussersten Limit bewegt wird - das ist nicht zuletzt auch dank den unglaublich gut haftenden Rennreifen auf öffentlichen Strassen ohnehin kaum der Fall -, reagiert der Wagen auf Lastwechsel hauptsächlich durch folgsames verstärktes Einlenken in die Kurve, und selbst bei Höchstgeschwindigkeit zieht er nahezu unbeirrt von Wind oder Strassenunebenheiten seine Bahn. Keine Frage: Audi hat hier das Allradkonzept nochmals spürbar verbessert. Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass die serienmässig mit dem Antiblockiersystem von Bosch kombinierten Bremsen endlich auch das lange geforderte Pendant zum permanenten Vierradantrieb darstellen.
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Fazit |
Im Quattro Sport hat Audi die hochkarätigste und teuerste Technik eingebaut, die sie im gegenwärtigen Zeitpunkt anzubieten hat. Das Resultat ist ein Elitecoupé, das zwar nicht so harmonisch gestylt ist wie manche Konkurrenten, aber - obwohl es zu den potentesten Seriensportwagen überhaupt gehört - hinsichtlich Fahrersicherheit unter allen erdenklichen Strassenverhältnissen neue Bestmarken setzt.
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Preis |
um die 200'000.-- sFr.
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Messergebnisse des Tests: |
Bedingungen |
Belag: Asphaltbelag / Belastung: 2 Personen + 15 kg / Aussentemperatur: 7 Grad / Luftdruck: 964 mbar /Km-Stand: 11'000
Messungen mit elektronischen Präzisionsinstrumenten
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Fahrleistungen |
Höchstgeschwindigkeit: 248 km/h (Tacho: 264 km/h): Mittel aus beiden Richtungen
Beschleunigung aus dem Stand: 0-40 km/h s 1.4 s; 0-60 km/h 2.4 s; 0-80 km/h 3.7 s; 0-100 km/h 5.1 s; 0-120 km/h 7.2 s; 0-140 km/h 9.3 s; 0-160 km/h 12.2 s; 0-180 km/h 16.1 s; 0-200 km/h 23.1 s
Durchzug/Elastizität während der Fahrt:
im IV. Gang: 60-80 km/h 5.3 s; 60-100 km/h: 8.9 s; 60-120 km/h: 12.0 s; 60-140 km/h: 15.3 s; 60-160 km/h: 18.8 s; 60-180 km/h 22.8 s; 60-200 km/h: 27.6 s
im V. Gang: 60-80 km/h 6.7 s; 60-100 km/h: 12.1 s; 60-120 km/h: 15.8 s; 60-140 km/h: 19.7 s; 60-160 km/h: 24.0 s; 60-180 km/h 28.8 s; 60-200 km/h: 35.0 s
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Gewichte |
Leergewicht (DIN): 1300 kg Gewichtsverteilung v/h: 54/46% Leistungsgewicht (DIN): 4.3 kg/PS resp. 5.9 kg/kW
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