Test aus der Schweizer Automobilrevue Nr. 8 vom 27.2.1992, Audi V8 4.2l Automat

 

Einführungstext

Der im Sommer 1991 angekündigte Audi V8 mit 4.2 Liter Hubraum ("AR" 29 und 51/91) ersetzt in der Schweiz den 3.6-Liter. Markanter Vorteil gegenüber der bisherigen Motorisierung ist eine deutlich gesteigerte Durchzugskraft, die der gewichtigen Limousine einen fulminanten Antritt auch aus tiefen Drehzahlen ermöglicht. Mit dem grösseren Motor wirkt der "grosse" Audi noch überlegener und gehört nun klar in den Kreis der leistungsfähigen Limousinen der Luxusklasse.

 

Im Testbericht über den Audi V8 ("AR" 7/89) wünschten wir für eine bestimmte Käufergruppe einen Motor mit "etwas mehr als 4 Liter Inhalt". Diesem allgemein geäusserten Wunsch kam der Hersteller inzwischen nach. Bekanntlich ist durch keine andere motorische Massnahme das Durchzugsvermögen im unteren Drehzahlbereich effizienter zu verbessern als mit einer Vergrösserung des Hubraums. Bei Audi entschied man sich für eine massive Aufstockung um nicht weniger als 610 cm3. Dazu wurden sowohl Zylinderbohrung auf 84.5 als auch der Kolbenhub auf 93 mm vergrössert. Die Realisierung der grösseren Bohrung erforderte sogar einen technischen Kunstgriff, indem die Zylinder leicht gegeneinander versetzt werden mussten, da sonst der Raum zu knapp geworden wäre. Diese Massnahme liess den Zylinderabstand von 88 auf 90 mm anwachsen.

 

Das Resultat dieser aufwendigen Veränderung kann sich sehen lassen: Einer Leistungserhöhung um 12 % auf 206 kW (280 PS) steht eine Verbesserung des maximalen Drehmoments um 18 % auf 400 Nm bei 4'000/min gegenüber; im unteren Drehzahlbereich stieg das Drehmoment sogar um mehr als 20 % an.

 

Enormes Beschleunigungs-

vermögen

Diese Leistungskur hat den Audi V8 drastisch verändert. Aus dem gut motorisierten Luxusauto ist eine überaus spurtstarke Reiselimousine geworden. So benötigt der Testwagen für den Spurt von 0 auf 100 km/h 7.3 s, während sich die früher geprüfte 3.6-Version - ebenfalls mit automatischem Getriebe ausgerüstet - dafür 9.1 s Zeit liess. Damit unterbot der Testwagen die Werksangaben um nicht weniger  als vier Zentelssekunden. Von 0 bis 200 km/h ist der Unterschied eklatant, war doch der neue 4.2-V8 mit exakt 28 s sogar um 10.2 s schneller.

 

Die Höchstgeschwindigkeit gibt der Hersteller für beide Getriebevarianten (4-Gang-Automatik oder 6-Gang-Schaltgetriebe) mit 249 km/h an, was darauf schliessen lässt, dass die Motorleistung beim Erreichen dieser Geschwindigkeit - wie bekanntlich auch bei den grossen Mercedes und BMW - in nobler Zurückhaltung elektronisch limitiert wird. Wir haben diese glaubwürdig erscheinende Angabe nicht nachgeprüft, da unser Testwagen saisonbedingt mit für diese Art Versuche ungeeigneter Winterbereifung (max. 190 km/h) ausgerüstet war.

 

Nicht nur auf Grund der Messresultate ist dem überarbeiteten Motor mehr Temperament zuzuschreiben, die Praxis liefert ausreichend Hinweise dazu. Der Motor reagiert aus allen Situationen derart nachdrücklich aufs Gasgeben, dass im normalen Fahrbetrieb die gewünschte Geschwindigkeitserhöhung sozusagen in Sekundenbruchteilen erfolgt. Bei der Wegfahrt von der Ampel ist dosiertes Gasgeben empfehlenswert, da sich sonst das unauffällige Auto ohne Lärm und Reifengequitsche - der Quattro-Antrieb macht's möglich - sofort von den übrigen Autos absetzt und dementsprechend an der nächsten Ampel viel zu früh ankommt.

 

Der grossvolumige Achtzylinder springt kalt und war spontan an, und seine "Fahrbarkeit" ist vorbildlich. Die lernfähige Steuerelektronik scheint die Betriebsverhältnisse jederzeit optimal im Griff zu haben, denn Ruckeln oder Aussetzer sind diesem Triebwerk fremd. Um optimale Leistungen zu erzielen, muss allerdings unverbleites Superbenzin (98 ROZ) getankt werden. Bei einer minimen Leistungs- und Verbrauchseinbusse ist ein problemloser Betrieb mit unverbleit 95 ROZ jedoch dank selektiver Klopfregelung möglich.

 

Bezüglich Verbrauch zeigt der Audi V8 4.2 zwei unterschiedliche Seiten. Einerseits liegt die Verbrauchskurve bei konstant gefahrenen Geschwindigkeiten nur wenig über dem 3.6-Liter, anderseits sind die in der Praxis gemessenen Verbrauchswerte deutlich höher. Als Testverbrauch ermittelten wir für den leer 1810 kg wiegenden Audi 16.3 l/100 km gegen 14.0 l/100 km bei praktisch gleich schweren 3.6-Liter, und die Extremwerte lagen mit 19.2 (18.7) bzw. 13.7 (12.3) l/100 km ebenfalls deutlich über den früher gemessenen Werten. Nun ist man versucht zu sagen, wer sich eine Hochleistungs-Luxuslimousine für über 90'000 Franken zulegt, kümmert sich in den wenigsten Fällen darum, ob sein Auto zwei oder drei Liter mehr oder weniger konsumiert. Aber so wie die Zeichen der Zeit stehen, sollte man bei Audi trotzdem versuche, den Verbrauch des Flaggschiffs etwas zu zügeln.

 

Der elektronisch gesteuerten 4-Stufen-Automatik mit drei wählbaren Programmen scheint das kräftigere Drehmoment keine Schwierigkeiten zu bieten. Sowohl bei den von Motor und Getriebe das Letzte fordernden Beschleunigungsmessungen wie im täglichen Gebrauch schaltete die Automatik zuverlässig, ruckfrei und rasch. Die Schaltpunkte liegen bei Kockdown (Vollgas) bei knapp 80, 124 und 184 km/h. Verbesserungsfähig erschien uns die Wählhebelführung, die je nach Position sowohl seitliches Schieben wie auch Nach-unten-Drücken des Schalthebels verlangt. Aus Sicherheitsgründen kann der Wählhebel bei laufendem Motor nur bei gedrücktem Bremspedal aus den Stellungen P oder N bewegt werden.

 

Sicher und komfortabel

Der Audi V8 wird ausschliesslich mit dem permanenten Allradantrieb Quattro angeboten. Traktionsprobleme sind damit zum Vorneherein weitgehend ausgeschlossen. Vorteile bringt dieses System jedoch auch beim Befahren von Kurven. Trotz der deutlich frontlastigen Gewichtsverteilung (60:40) bleibt nämlich das Fahrverhalten in Kurven praktisch neutral, und nur auf feuchtem, schmierigem Belag stellt man ein Wegschieben über die Vorderräder fest, das meist durch leichtes Gaswegnehmen korrigiert werden kann. Extrem hohe Kurvengeschwindigkeiten meistert das leistungsfähige Auto ebenso sicher wie es mit einem untadeligen Geradeauslauf glänzt. Während der Audi V8 mit seiner noch vom Vorgänger des heutigen Audi 100 stammenden Karosserie äusserlich recht unauffällig dasteht, gibt sich das Interieur ausgesprochen komfortbetont. Fahrer und Mitfahrer sind in den klubsesselartig ausgeführten Lederpolstern sehr gut aufgehoben. Mit Ausnahme der Höhenverstellung des Fahrersitzes (Koppen vorne und hinten), die besonders für leichtgewichtige Personen umständlich zu handhaben ist, findet man rasch die gewünschte Sitzposition. Hinten herrschen grosszügige Platzverhältnisse vor und auch der Gepäckraum hat klassenübliches Format. Der bis zu vier Paar Skier fassende Skisack ist wasserdicht und besitzt einen speziellen Schmelzwasserverlauf; an die sichere Fixierung der eingepackten Skier ist ebenfalls gedacht. Die Verarbeitung des Innenraums lässt keinen Platz für Kritik; die reichhaltige Verwendung von poliertem Wurzelholz schafft zusammen mit dem hochwertigen Leder genau jenes Luxusgefühl, das in dieser Preisklasse begehrt ist.

 

Die Ausrüstung des Audi V8 umfasst viele Dinge, die bei vielen Konkurrenten nur gegen Aufpreis - wenn überhaupt - erhältlich sind. Der Allradantrieb mit zwei vollautomatischen Sperren beispielsweise, oder die vollverzinkte Karosserie, das Aufprall-Sicherheitssystem "Procon/ten", aber auch die vollautomatische Klimaanlage, Ledersitze sowie nützliche Details, die dem Betrachter verborgen bleiben, wie z.B.  beheizbare Türschlösser, eine zusätzliche Intensiv-Reinigungsflüssigkeit für die Windschutzscheibe und ein Auto-Check-System mit kleinem Bildschirm und Warnton. Bemerkenswert, dass trotz Fahrer- und Beifahrerairbag, die auf Wunsch eingebaut werden können, das Handschuhfach vollumfänglich nutzbar bleibt.

 

Fazit

Der Preis des neuen V8 ist mittlerweile auf 93'600 Franken geklettert. Daraus ergibt sich eine Differenz von 5'400 Franken zum früheren Modell, die Teuerung inbegriffen. Der Test hat gezeigt, dass der überarbeitete Motor mit grösserem Hubraum die Fahrleistungen, aber auch die Fahrdynamik des Autos merklich verändert hat. Der Audi V8 4.2 ist um eine Klasse besser geworden. Und dies scheint uns den oben erwähnten Aufpreis wert zu sein. 

 

Preis

ab 93'600 sFr. (Testwagen 99'750.-- ohne Radio)

 

 

 

Messergebnisse des Tests:

 

Bedingungen

Belag: Betonbelag / Belastung: 2 Personen + 10 kg / Aussentemperatur: 3 Grad / Luftdruck: 1002 mbar /Km-Stand: 7'000

 

Messungen mit elektronischen Präzisionsinstrumenten

 

Fahrleistungen

Beschleunigung aus dem Stand:

0-40 km/h s 2.2 s; 0-60 km/h 3.4 s; 0-80 km/h 5.2 s; 0-100 km/h 7.3 s; 0-120 km/h 9.6 s; 0-140 km/h 13.0 s; 0-160 km/h 16.5 s; 0-180 km/h 20.7 s; 0-200 km/h 28.0 s

 

Zählereichung

abgelesene km/h = fett, effektive km/h = blau

 

60 = 58; 100 = 97; 120 = 117

 

1 km nach Zähler = 1010 m

 

Verbrauch

Gesamtverbrauch im Test

16.3 L/100 km

 

Gemessene Durchschnittswerte im Test

13.7 bis 19.2 L/100 km

 

1 km stehendem Start (Vollbeschleunigung)

ca. 44 L/100 km

 

Treibstoff

Super Plus Bleifrei 98 ROZ (95 ROZ mit leichter Leistungs- und Verbrauchseinbusse)

 

Gewichte

Leergewicht (DIN): 1810 kg

Gewichtsverteilung v/h: 60/40%

Leistungsgewicht (DIN): 6.5 kg/PS resp. 8.8 kg/kW 

 

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